Noah Ndosi

Noah K. Ndosi

Ndosi, Noah, Krillo, geboren am 13. Oktober 1945 in Meru / Tanzania

Noah Ndosi war und ist Arzt und Dozent, Dichter und Buchautor. Inzwischen befindet er sich im Ruhestand, arbeitet jedoch noch weiterhin in verschiedenen Krankenhäusern von Dar es Salaam, der früheren Hauptstadt von Tanzania.

Kindheit, Jugend, Ausbildung

Noah Ndosi stammt aus einer Meru-Bauernfamilie, die am Fuße des Mount Meru lebte, nordöstlich von Arusha. Der Vater war ein Mmeru, geboren am Ende des Ersten Weltkrieges 1917/1918, und hieß Krillo Selei Ndosi. Er heiratete Ana Masumari, die vier Jahre jünger war und aus der Nachbarortschaft Nndatu stammte. Auch sie ist Mmeru. Das Dorf, in dem sie wohnten, lag in einer Gegend, die sie Poli nannten. Zwei Kilometer südöstlich lag Kilala, wo die Familie ein zweites Grundstück besaß. In Kilala erstreckten sich Grasweiden – einer der natürlichen Treffpunkte für die Jugend, um die Herden zu hüten. In Poli-Dorf wuchs Noah auf und musste, was damals üblich war, schon sehr früh Verantwortung übernehmen, einerseits für die Geschwister und andrerseits für die Viehherden, also für die Schafe und vor allem die Ziegen. Aus dieser Zeit gibt es zahlreiche Erzählungen, Berichte und Gedichte von Noah Ndosi.

Als Noah Ndosi das Licht der Welt erblickte, stand Tanzania (es hieß damals Tanganyika) noch unter britischer Verwaltung. Wichtig zu erwähnen, dass Tanganyika bis 1918 deutsches Schutzgebiet war und damit Teil von Deutsch-Ostafrika. Die teilweise grauenvolle Machtausübung der Deutschen, zum Beispiel von Carl Peters und Hauptmann Johannes, haben selbst die Eltern von Ndosi nicht mehr miterlebt.

Der junge Noah besuchte zunächst von 1952 bis 1956 die Poli Primary School, dann von 1957 bis 1960 die West Meru Middle School und schließlich von 1961 bis 1966 die Ilboru Secondary School in Arusha, wo er wegen einer politischen Rede fünf Tage vor den Abschlussprüfungen nach Hause entlassen wurde. Da er aber im O’Level (12. Klasse) gute Noten hatte, gewann er einen Studienplatz in der DDR und im Herder Institut. Hier erfolgte auch die Immatrikulation.


Fernand Schmit - Noah Ndosi - Der strebende GeistDer strebende Geist

Der Arzt und Dichter Noah K. Ndosi aus Tanzania


Nach dem Abschluss der Schullaufbahn war es keineswegs klar, dass ein Studium folgen würde. Der Vater bezweifelte den Nutzen. Auf Drängen und Argumentieren der Mutter hin gelang es schließlich, die Zustimmung auch des Vaters zu erhalten. Nach zwei Jahren, die er übergangsweise als Lehrer in der Academic and Modern School in Arusha verbrachte, begannen die zwei nationalen Dienstjahre beim Militär, zunächst für sechs Monate, gefolgt von sechs weiteren Monaten als Angestellter in der National Bank of Commerce / City Drive in Dar es Salaam.

Es gab damals durchaus Beziehungen auch zwischen Tanzania und der DDR, also nicht nur Beziehungen zur Bundesrepublik. Auf diese Weise konnte Noah Ndosi ein Stipendium in Anspruch nehmen und ein Studium in Halle/Saale beginnen. Von November 1969 an besuchte er das Herder Institut an der Karl Marx Universität, wo er 1970 das deutsche Abitur ablegte. Nun begann das Studium der Medizin an der Martin Luther Universität in Halle. Dies endete 1975 mit dem Staatsexamen. Während der folgenden sechs Monate Dienstzeit in der Chirurgischen Universitätsklinik schrieb er seine Diplomarbeit als Diplommediziner.

Zurück in Tanzania begann er eine dreijährige Tätigkeit als praktischer Arzt im Kilimanjaro Christian Medical Centre (KCMC) in Moshi.

Während Noah im KCMC arbeitete, musste er den Vater aus Meru nach Moshi holen, nachdem dieser unglücklicherweise einen bösartigen Schlundtumor entwickelt hatte. Nach zwei Operationen der Speiseröhre im KCMC folgten zunehmend Komplikationen mit Metastasen und einer Lungenentzündung. Noah pflegte seinen Vater bis zur Beerdigung in Poli im Juni 1979.

Im Laufe des Jahres 1979 erhielt Ndosi dann ein DAAD Stipendium und ging deshalb zurück nach Deutschland, diesmal nach Tübingen, freundlich aufgenommen vom damaligen Leiter der Psychiatrie Prof. Heimann, dann aber zweieinhalb Jahre betreut von seinem hochverehrten Professor Dichgans, bei dem er den neurologischen Anteil  des Facharztstudiums für Neuropsychiatrie (Nervenarzt) absolvierte. Noah Ndosi schloss die Ausbildung 1983 mit einer Dissertation über visuell evozierte Potenziale bei der Migräne (unter Supervision von Oberarzt Dr. Diener) ab. Vor allem den Professoren Heimann und Dichgans fühlt sich Noah Ndosi zu großem Dank verpflichtet, auch für den reibungsfreien Aufenthalt und die fachärztliche Betreuung in den Kliniken.

Es folgte ein halbes Jahr Ausbildungszeit in Rottenmünster/Rottweil unter dem hervorragenden Direktor und Chefarzt Dr. Gestrich.

Ende 1984 erhielt Ndosi nach einer Prüfung in Stuttgart die Facharztanerkennung (gefolgt vom Facharztzeugnis im Januar 1985). Sofort danach kehrte Noah Ndosi endgültig nach Tanzania zurück.

Tätigkeit als Mediziner

Nach den bereits erwähnten dreieinhalb Jahren als praktischer Arzt im KCMC in Moshi erhielt Ndosi bereits im März 1985 eine Stelle als Dozent in der Psychiatrischen Abteilung des Muhimbili Medical Centre in Dar es Salaam, Mitglied der Dar es Salaam University.

Es begann eine sehr vielfältige Tätigkeit, die nur von 1993-94 durch einen Forschungsaufenthalt in Harvard unterbrochen wurde, und zwar mit dem Schwerpunkt Integrierung von soziokulturellen Aspekten in der Forschung. Noah entwarf ein Projekt mit dem Thema: Die traditionellen Heiler Tanzanias und ihre Behandlungsmethoden bei Geisteskrankheiten.

Die Arbeit im Muhimbili Medical Centre von Dar es Salaam erstreckte sich über eine große Zahl von Erkrankungen wie Psychosen verschiedener Art, insbesondere Schizophrenie, Epileptische Anfälle, Depressionen, Psychische Störungen bei Hirntraumata, Neurosen, aber auch Alkoholmissbrauch, Drogen, HIV-Folgeerkrankungen aller Art, Sexualstörungen, Suizide und anderes mehr, stets verbunden mit wissenschaftlichem Arbeiten, Vorträgen, Workshops, Seminaren usw.

Von den in Europa und USA ausgebildeten Heimkehrern erwartet(e) Ndosi, dass sie rückblickend anderen den Weg zum Fortschritt zeigen. Für die eigenen Erfolge hätten sich schließlich die Vorgenerationen engagiert (bei ihm die Eltern und die Mission zum Beispiel), und nun seien entsprechend die Intellektuellen des Landes gefordert, ihrerseits den Jüngeren zum Erfolg zu verhelfen. Sie trügen eine besondere Verantwortung für ihre Gesellschaft.

Um sich Konflikte zu ersparen, müsse man aber vor Ort gewachsene Hierarchien respektieren, auch wenn man glaubt, man würde gerade die neueste und beste Ausbildung aus Europa mitbringen in der Erwartung, es müssten sich nun überall Tür und Tor öffnen.

Insgesamt beurteilt Ndosi den Kontakt mit Deutschland als sowohl provozierend als auch bereichernd. Er fordert dazu auf, die fortschrittssichernden Elemente aus den Kulturen zu erschließen, ohne die eigene Identität aufzugeben.

Ndosi war aber nicht nur als Arzt tätig, sondern auch als Dozent, das heißt er unterrichtete als „lecturer“ über viele Jahre hinweg auch Studenten. Nicht weit vom Stadtgebiet von Dar es Salaam, nahe des Meeres, ließ er ein Haus bauen, in dem er selbst, aber auch nahe Angehörige wohnen. Später baute er in seinem Heimatdorf Meru ein weiteres kleines Haus, gedacht als Domizil für den Ruhestand. Diesen Ruhestand gab es aber auch im Jahre 2009 noch immer nicht, vielmehr wurde die ärztliche Tätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern fortgesetzt.

Privatleben

Noah Ndosi hat zwei Kinder, eine Tochter, die als Sängerin/Schauspielerin im Münchener Raum arbeitet, und einen Sohn, der anstrebt, demnächst die Ausbildung der Computerwissenschaft an der Technischen Hochschule in Berlin abzuschließen.

Ob er es bedauert, nie geheiratet zu haben und eine vollständige Familie zu gründen, das verrät er nicht einmal seinen engsten Freunden. Aber er betont immer, er habe ein großes Herz und großen Respekt vor Frauen.

Dichterische Tätigkeit

Schon früh zeigte sich das Schreibtalent von Noah, das er selbst aber bis heute in Zweifel zieht. Bereits damals schrieb er Gedichte in Kimeru, Noahs erster Muttersprache, und zwar für einen Freund, Dr. Peter Palangyo. Dieser war Schriftsteller (Dying in the Sun, African Writers Series 53 / London, Heinemann 1968) und Tanzanischer Diplomat und er beurteilte Noahs Gedichte als außerordentlich gut.  Ein Motorradunfall beendete 1993 diese Freundschaft. Peter Palangyo stammte aus dem Nachbardorf Nkoaranga.

Dann geschah Folgendes: Als eine Volkshochschulschülerin des Swahili-Sprachkurses in Stuttgart den damaligen Dozenten (Fernand Schmit) mit Noah bekannt machte, entwickelte sich daraus schnell eine enge freundschaftliche Beziehung, die bis heute anhält und sogar intensiver ist als jemals. Bei der Gelegenheit stellte Noah seine Prosaversuche in deutscher Sprache vor. In langen Wochenendgesprächen über diese Arbeiten resultierte daraus ein Manuskript, das schließlich 1991 vom Horlemann-Verlag (damals noch in Unckel) herausgegeben wurde („Echos der Erinnerung“). In Tanzania selbst folgten weitere Arbeiten, zum Teil veröffentlicht im Mzumbe Book Project. Auch Schulbücher zu verschiedenen historischen Themen sind darunter zu finden.

Da sich nun aber der Briefkontakt zwischen Schmit und Ndosi ab 2011 wieder sehr intensiviert hatte, kam der Moment, in dem man eine Entscheidung treffen musste, nämlich das gesamte Material öffentlich zu machen. Grund dafür: die Erzählungen aus Kindheit und Jugend, die auf dem afrikanischen Kontinent sonst für immer verschwinden würden, ferner Noahs eigenartige Sicht auf die politischen Verhältnisse dieser Welt, schließlich aber auch seine Weltsichten und seine zahlreichen neuen und schönen Gedichte.

In 2020 wird aller Voraussicht nach ein weiteres Buch herausgegeben. Es soll wesentliche Teile des Lebenswerks von Noah zusammenfassen und ihn als einen besonderen Menschen vorstellen.

Veröffentlichungen:

  • Echoes of a Past World, Mzumbe Book Project 1993
  • Echos der Erinnerung, Horlemann Verlag 1991
  • Noah Ndosi in An Anthologiy of East African Poetry, Longman 1988
  • K. Ndosi, Tujifunze Historia, Bd. 1-7, Educational Books Publishers Ltd. 2006-11
  • K. Ndosi: Visuell evozierte Potentiale bei der Migräne, Dissertation, Tübingen 1983
  • K. Ndosi u.a.: Etiologies of autism in a case-series from Tanzania, Dar 2006
  • K. Ndosi et al.: The nature of puerperal psycosis at Muhimbili National Hospital: its physical co-morbidity, associated main obstretic and social factors, Dar 2002

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